Ist die AUA ohne Mitgift eine attraktive, begehrenswerte Braut?

Die AUA benötigt einen Partner, der die notwendigen Entwicklungsperspektiven
für das Unternehmen, den Flughafen Wien sowie die gesamte Region gewährleisten kann.
Betriebsratsvorsitzender Alfred Junghans (ÖIAG & AUA Aufsichtsratsmitglied),
16.10.2008

Die anspruchsvollen Feste zum 50. operativen Geburtstag der AUA am 31.3.2008 – die medialen Würdigungen folgten am 1. April (kein Aprilscherz!) – sind von der Symbolkraft mit den pompösen Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag der DDR vergleichbar: Hier wie dort …
  • … versammelten sich die Chefs der Bündnispartner um den Festansprachen der Großen Vorsitzenden dem Anlass entsprechend Glanz und Gloria zu verleihen.
  • … lag trotz der (überhasteten) Aufbruchstimmungen etwas Morbides in der Luft, das die kunstvollen Darbietungen und lukullischen Genüsse nicht gänzlich vertreiben konnten.
  • … spürten manche Festgäste (Funktionäre mehr, Bonzen weniger), dass sie sich von einer im Ganzen durchaus angenehm empfundenen Ära (Bonzen mehr, Funktionäre weniger) verabschieden und auf eine dornenreicheren Zeitabschnitt vorbereiten müssen.
Gemeinsam ist beiden Systemen, dass sie die geänderten Bedürfnisse der Kunden/Staatsbürger aus dem Blick verloren, diese für attraktivere Alternativen optierten und letztlich mit den Füßen abstimmten („Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“). Die AUA verpasste die Transformation vom Duopol zum Wettbewerb; dieser erfordert - bei schlanken Strukturen - immer größer werdende Systeme, die günstig produzieren müssen um den Flugtransport zu marktfähigen Preisen anbieten zu können.

Die AUA hat ihre diesbezüglichen Defizite zwar erkannt, diese aber mit rundweg untauglichen Mitteln zu beheben versucht: Im Wissen, dass sie nicht konkurrenzfähig produziert, suchte sie im Gefolge von 9/11, SARS, Irakkrieg und sonstiger temporärer Krisen nach „Nischen“, die von Mitbewerbern wegen ihrer zunächst zwergenhaften Größe nicht bedient wurden und bot den Transport in Kleinstflugzeugen zu Monopolpreisen an. Diese Strategie, die praktisch im Alleingang vom damaligen CCO Sepp Burger implementiert wurde, war von 2002 bis etwa Mitte 2004 profitabel. Während eines temporäres Zeitfensters zwischen 2003 und 2004 wäre möglich gewesen, die AUA zu attraktiven Bedingungen in den Lufthansa Konzern zu integrieren. Sehr gute konjunkturelle Bedingungen und eine beachtliche Zunahme des Mobilitätsbedürfnisses hätten außerordentliche Wachstumsperspektiven geboten, weshalb eine notwendige Produktionskostensenkung für die Mitarbeiter annehmbar gewesen wäre.

Die AUA hielt ihren Eigentümern die Treue (Rot-Weiß-Rot bis in den Tod?) und begründet diese so genannte „Eigenständigkeit“ mit dem Anspruch, selbst zu entscheiden, wann, wohin mit welchem Flugzeug geflogen wird. Als „First Mover“ sahen die „Botschafter“ ihre rot-weiß-rote Heckflosse als Symbol für den universalen Repräsentanzanspruch und reagierten entsprechend missmutig, wenn sich eine Konkurrentin – häufig war dies die Lufthansa – „ins gemachte Nest setzen, den Flugpreis ruinierte und den Rahm abschöpfte“ (umgekehrt galt das natürlich nicht). Ohne sich offenkundig über die Tragweite dieser Aussage bewusst zu sein, erklärte die AUA gegenüber dem Rechnungshof (Seite 43), dass sie im Netzwerkmanagement „die paneuropäische Marktführerschaft in Bezug auf die Anzahl der bedienten Destinationen und die Frequenzüberlegenheit in jeder von einem Mitbewerber angebotenen Destination“ verfolge, sich also an einem nicht existenten Wettrennen ohne offizieller Preisverleihung beteiligt.

Seit Sheikh Al Jaber’s die am 3.4.2008 vertraglich vereinbarte Kapitalspritze von € 150 Mio. für ca. 20% AUA-Aktien vier Wochen später kündigte, sucht die AUA einen „strategischen Partner“ und meint damit einen Luftfahrtkonzern als Eigentümer, der Wien als Drehkreuz aufwertet und damit auch Aufgaben der Verkehrsinfrastruktur für die Region Centrope übernimmt. Denn am „strategischen Partner“ mangelt es nicht: Bekanntlich schloss die AUA vor knapp zehn Jahren mit der Lufthansa eine von der EU-Kommission genehmigte, weit reichende Kooperationsvereinbarung ab. Viel nahe liegender wäre es daher gewesen, mit der Lufthansa über eine Akquisition zu als über eine – nicht erforderliche – Ausschreibung zu versuchen, den Preis für die (gescheiterten) Alteigentümer via Air France/KLM und S7 (grotesk) hochzutreiben. Wer sich nur ein wenig mit der Luftfahrt beschäftigt, der weiss, dass die Lufthansa bei Übernahmen hauptsächlich in die Gesellschaft und weniger in die Alteigentümer investiert. Wie die geplante Akquisition der SWISS gezeigt hat, ließ sie der BA 2003 den Vortritt um dann nach 1 ½ Jahren und gescheiteter Integration zu deutlich günstigeren Konditionen einzusteigen.

Unabhängig davon ist der gewählte Weg auch äußerst riskant; denn die AUA kann sich nicht – wie die Arbeit von BCG nahe legte – einen Eigentümer auswählen, sondern wird gewählt. Die ÖIAG pokert äußerst hoch, wenn sie Teiles eines denkmalgeschützten Unternehmens mit enormen Altlasten in einer wirtschaftlich schwierigen Phase verkaufen möchte und forsch auftritt. Es scheint nicht ausgeschlossen, und ihr jeder der zwei noch im Rennen befindlichen geeigneten Bieter die kalte Schulter zeigt. Wenn dem so ist, dann bleiben der ÖIAG noch zwei Monate bis zum Bilanzstichtag…

Die ÖIAG verkennt nämlich, dass in erster Linie die Kunden über Erfolg und Niederlage entscheiden. Gelingt es, ein attraktives, nachfragegerechtes Angebot zu schnitzen, dann wird dies immer jenem überlegen sein, das erst Märkte schaffen muss. Da in Mitteleuropa die Kunden mit Frankfurt, München und Zürich (Lufthansa Konzern) sowie Paris und Amsterdam (Air France/KLM) bereits zwischen fünf entwickelten Drehkreuzen wählen können, ist Wien kein systemnotwendiges Drehkreuz. Das heißt aber nicht, dass dieses unter bestimmten Voraussetzungen nicht profitabel zu betreiben wäre.

Um zu zeigen, warum die Lufthansa gegenüber Air France/KLM deutlich preiswerter produzieren kann und damit deutliche Vorteile hat, hilft die allgemein zugängliche Statistik der Zivilluftfahrt 2006, für einen Überblick eine daraus entnommene Grafik. Daraus entnehme ich die Passagiervolumina aus den jeweiligen (engeren) Heimatmärkten der beiden Konkurrenten mit Wien:

Lufthansa-Konzern 2.501.146
Frankfurt am Main 718.377
Zürich 623.021
Düsseldorf 531.204
Berlin 448.361
Brüssel 354.067
Hamburg 413.757
München 359.776
Stuttgart 288.325
Köln 286.773
Hannover 229.263
Nürnberg 144.915
Genf 126.991
Basel 55.507
Dresden 52.901

Air France/KLM: 1.163.921
Paris 619.865
Amsterdam 421.364
Lyon 63.331
Nizza 59.361

Das Ergebnis zeigt also, dass mehr als doppelt so viele Kunden aus den (engeren) Heimatmärkten des Lufthansa Konzerns mit Wien vernetzt sind als die Kunden aus den (engeren) Heimatmärkten von Air France/KLM. Dazu kommt die Markterschließung der Bundesländerflughäfen Graz, Innsbruck, Klagenfurt, Linz, Salzburg mit den Drehkreuzen Frankfurt, München und Zürich. BA-CEO Willie Walsh brachte es auf den Punkt: „Die AUA passt strategisch zur Lufthansa.“

Wenn Air France/KLM die AUA akquirieren will, dann wird das viel teurer und riskanter (Österreicher Kunden sind mit „Miles & More“ an Lufthansa gebunden und obendrein nicht besonders frankophil) als für die Lufthansa. Außerdem ist das dafür verwendete Kapital und die Managementkapazitäten gebunden und fehlt für weitere Übernahmen, bei der auch die Lufthansa sehr gut im Rennen liegt.
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