Donnerstag, 18. September 2008

Mindestens € 100 Mio. Bedrohungspotential wegen Wertverlust der Flugzeuge

„Ich würde nie wen anlügen, bin verlässlich.
Ausg'macht ist aus'gmacht. So genannte Leger gibt es bei mir nicht.“
Alfred Ötsch, in:
Der Standard, 2.2.2008

„Die Situation war nie so schlecht, dass wir vor einem Konkurs gestanden sind", versteht Boden-Betriebsratschef Alf Junghans die „plötzliche Eile“ bei der AUA-Privatisierung nicht. Als Mitglied des Aufsichtsrates der AUA (und der ÖIAG) müsse er das wissen, denn dann wären Sonderberichte zu Liquidität und Rentabilität des Unternehmens vorzulegen gewesen: Erst hat es geheißen, die AUA ist saniert, dann haben wir die Millionen von Scheich Al Jaber nicht gebraucht - und jetzt brauchen wir dringend einen Partner.“ Deshalb sei auch die „stand alone“ Variante ernsthaft zu prüfen.

Diese und ähnliche Informationen nähren den Verdacht, dass die AUA an einer fairen Information aller Marktteilnehmer nicht interessiert ist. Immerhin notiert die Aktie derzeit im Marktsegment prime market der Wiener Börse (am 22.9.2008 zieht sie wieder in den ATX ein) welches an Transparenz-, Qualitäts- und Publizitätskriterien höhere Anforderungen als das Börsegesetz stellt. Gemäß § 48d Abs. 1 & 2 BörseG ist die AUA verpflichtet, unverzüglich Informationen über nicht öffentlich bekannte Umstände der Finanzmarktaufsicht (FMA) zu melden, wenn diese geeignet sind den Kurs der Finanzinstrumente (z.B. Aktien, Optionen, Anleihen) erheblich zu beeinflussen.

Kursrelevant ist sicher eine Prognose über das Jahresergebnis. Das hat die hat die AUA am 9.Juni 2008 in der Bandbreite von EUR -70 Mio. bis -90 Mio. veröffentlicht und diese Schätzung am 29. Juli 2008 bei der Vorlage des Halbjahresfinanzberichtes bestätigt. Dieser Bericht hält auf den Seiten 23f die wirtschaftlichen Gründe bereit, warum die ÖIAG die AUA plötzlich feilbietet und der Herr Vizekanzler von einem Hilferuf spricht, weil die AUA von einer Abwertung ihrer Flugzeuge von weit über € 100 Mio. bedroht ist:

Zum Jahresultimo muss die AUA gemäß IAS 36 neuerlich überprüfen, ob der Buchwert ihrer Flugzeuge den erzielbaren Betrag (= höhere Wert der beiden Kennzahlen: Zeitwert abzüglich Veräußerungskosten oder Nutzungswert) übersteigt. Folgende drei Szenarien könnten schlagend werden:
  • Die wirtschaftliche Ertragskraft der Flugzeuge verschlechtert sich: CCO Andreas Bierwirth führte vor eingeladenen Journalisten in Damaskus aus, dass die Langstrecke bis auf wenige Destinationen wegen des fehlenden Zuganges zu Geschäftsreisenden defizitär sei. Keine Langstrecke bedeute aber auch eine Ausdünnung des kontinentalen Streckennetzes, die Ausflottung von 50 bis 60 der rund 100 Flugzeuge und die Schrumpfung auf eine regionale Wiener Fluglinie. Auf den Jahresabschluss bezogen bedeutet dies folgendes: Da durch die Redimensionierung auch die zukünftigen Nettogeldflüsse halbiert würden, wäre der Nutzungswert der Flugzeuge ein geringerer, weshalb sich zum Jahresultimo ein Abwertungsbedarf in unbekannter Höhe ergeben könnte.
  • Veränderter Abzinsungssatz: Für eine Wertminderung von Flugzeugen stellt der Abzinsungssatz den Zinssatz dar, den die AUA zahlen müsste, um in einer Markttransaktion zum jetzigen Zeitpunkt Geld für den Kauf von Flugzeugen aufzunehmen. Die AUA hat sowohl zum Jahresultimo 2007 als auch zum Halbjahresultimo 2008 mit einem Zinssatz von 5% kalkuliert. Wenn zum Jahresultimo ein Zinssatz von 5 ½ % verwendet würde, dann errechnet sich ein Abwertungsbedarf von rund € 50 Mio.
  • Veränderte Austauschrelation EUR/USD: Die geplanten frei verfügbaren zukünftigen Nettogeldflüsse wurden zu einem Devisenkurs von USD 1,54/€ konvertiert. Wenn die Relation USD 1,49/€ beträgt, dann ergibt sich ein Abwertungsbedarf von rund € 50 Mio. Sollte das Austauschverhältnis zum Jahresultimo mit USD 1,44/€ demjenigen von heute entsprechen, dann beträgt der Abwertungsbedarf rund € 100 Mio.
Da aus heutiger Sicht dieses Bedrohungspotential schlagend werden könnte, wäre eine einfach auffindbare Information längst angezeigt gewesen. Sich hinter Kleingedrucktem zu verstecken, ist jedenfalls ein schlechter Stil. Es ist schade, dass die AUA aus dem Desaster rund um die geplante Kapitalerhöhung durch Scheich Al Jaber nichts gelernt hat!

Welche Altlasten müssen rasch beseitigt werden weil sie die AUA massiv schwächen?

Teil III: Die Flottenstruktur

„Schon vor einem Jahr … war ich überzeugt,
dass die AUA bei der nächsten Luftfahrtkrise in ernste Probleme kommen wird.“
CCO Andreas Bierwirth, in:
Die Presse, 9.8.2008

Die Flotte der AUA ist laut Halbjahresfinanzbericht 2008 (Seite 3) „gut aufgestellt“ und stellt bei einem Buchwert von € 1.834,1 Mio. (Seite 23) mit knapp 2/3 den mit Abstand größten Vermögenswert des Konzerns dar. Da die Flotte auch das Betriebsmittel ist, das künftig Werte schaffen soll, ist zu prüfen, ob sie modern und gut strukturiert ist, um sich im Wettbewerb behaupten zu können. Denn mit Ausnahme der ab 2010 einzuflottenden vier 70-sitzigen DH4 NG, welche je zwei fünfzigsitzige DH3 und CRJ200 ersetzen sollen, laufen keine Flugzeugbestellungen:
  • Die Langstrecke wird mit vier B772 (Durchschnittsalter: 7,1 Jahre) und sechs B763 (Durchschnittsalter: 12,4 Jahre, davon sind drei Flieger älter als 15 Jahre) Flugzeugen bedient. Die Ausstattung der Biz-Kabine mit einer 2/3/2 (B772) und 2/2/2 (B763) Bestuhlung ist nicht mehr zeitgemäß. Der 2006 erfolgte Einbau der neuen Schlaf Fauteuils kostete € 40 Mio.
  • Mit einem rund 10%-igen Flottenanteil ist die Langstrecken zu gering dimensioniert. Zum Vergleich: Der Anteile der 25 Airbus-Langstreckenflugzeuge an der SWISS Gesamtflotte von 77 Maschinen beträgt rund 1/3.
    Der knapp ¾ große Anteil der Regionalflugzeuge an der Kurz- & Mittelstreckenflotte ist ungewöhnlich hoch. Da Mitbewerber den Schwerpunkt auf die A320- und B737-Familien legen, bieten sie mehr Platz.
  • Die aus 23 Maschinen bestehende F70/100 Flotte ist durchschnittlich 14,3 Jahre alt. Beide Muster (vom Typ F70 wurden lediglich 47 Stück abgesetzt) werden nicht mehr erzeugt, weil Fokker 1996 Insolvenz anmeldete. Die noch in Betrieb befindlichen Fokker werden seither vom Stork Konzern gewartet und mit Ersatzteilen versorgt.
  • Rund ¼ der Flotte (13 CRJ200 & 12 DH3) besteht aus Maschinen mit 50 Sitzplätzen. Diese Muster sind unter den derzeit gegebenen Wettbewerbsbedingungen nur in Sondersituationen profitabel zu betreiben.
  • Das eingesetzte Flugzeugtyp entspricht nicht immer den Kundenwünschen: So fliegt die AUA z.B. nach Bourgas, Genf, Nizza, Riga und Varna mit einer 50-sitzigen DH3 während die Konkurrenz Destinationen mit einer Blockzeit von rund 2 Stunden mit Jets bedient.
Es deutet also alles darauf hin, dass die Flotte doch nicht so gut aufgestellt ist, wie dies der AUA-Vorstand berichtet. Der Vorsitzende des Bodenbetriebsrates und Hobby-Kabarettist Alf Junghans sieht dies ähnlich: Die vorrangige Aufgabe eines neuen Eigentümers sei zu investieren und "den Flottensalat bereinigen".

Hoffentlich wird der strategische Investor nocht überfordert: Denn an die Alteigentümer soll er recht viel zahlen, die Schulden soll er übernehmen, die Sperrminorität darf er nicht anrühren, das Streckennetz soll er ausweiten, neue Flugzeuge soll er kaufen und die Mitarbeiter soll er weiter beschäftigen. Wird hier etwa ein Mäzen gesucht?

Welche Altlasten müssen rasch beseitigt werden weil sie die AUA massiv schwächen?

Teil II: Die Produktionskosten pro Sitzplatzkilometer

„Die AUA hat die größten Verlustquellen im vergangenen Jahr beseitigt.“
Alfred Ötsch, in: news 19/08, Seite 56

Während die Anzahl der jährlich angebotenen Sitzkilometer (ASK) den maximalen Absatz benennt, informieren die Kosten/ASK (CASK) über die Höhe der Produktionskosten/Einheit (hier: km). Die Kennzahl gibt über die Wettbewerbsfähigkeit der Fluggesellschaft Auskunft, sie ist aber wegen der unterschiedlichen Geschäftsmodelle und der angebotenen Produktpalette nur bedingt vergleichbar.

Generell gilt:
  • Je länger die Entfernung, desto geringer CASK.
  • Fluglinien, die Drehkreuze betreiben teurer produzieren als Gesellschaften, die sich auf den Lokalverkehr konzentrieren.
Dessen ungeachtet haben die nationalen Fluggesellschaften in Zeiten der Duopole Speck angesammelt der sich vor allem im Personalstand der Verwaltung manifestiert. Unter CEO Vagn Sørensen hat die AUA – wie die meisten Konkurrenten – durch überproportionales Wachstum mehr MitarbeiterInnen benötigt, preiswertere Kräfte aufgenommen und damit die CASK gesenkt. Durch das Überangebot am Markt konnte die AUA allerdings ihr Produkt nicht zu profitablen Flugpreisen absetzen.

Der angeblich als „Sanierer“ geholte CEO Ötsch suchte sein Heil im Schrumpfen, was schon deshalb misslingen musste, weil kleine Fluggesellschaften bei den heute am Markt erzielbaren Flugpreisen die Kosten ihrer Verwaltung nicht verdienen können (Größe zählt). Es ist allerdings ein Irrglaube, dass sich die Kosten allein durch „die Hereinnahme eines strategisches Partners“ quasi in Luft auflösen. Synergien werden nämlich nur dann gehoben, wenn die Einheitskosten gesenkt werden, was meist durch die Zusammenführung (= Integration) von Aufgaben und damit einem Personalabbau in der Verwaltung einhergeht.

Alarmierend ist jedenfalls, dass die im AUA-Geschäftbericht (Seite 48) ausgewiesenen CASK von €c 8,46/ASK (2006) um €c 0,97/ASK (d.s. 11 ½ %) auf €c 9,43/ASK (2007) hochgeschossen sind. Haupttriebfeder dafür war die Reduktion des Flugangebotes an Sitzkilometern um rund 15 ½ %, mit dem der Personalabbau aber nicht Schritt hielt: Der durchschnittliche Personalstand reduzierte sich nämlich in der betrachteten Periode von 8.582 Mitarbeitern um 551 auf 8.031 Mitarbeiter nicht einmal halb so schnell (d.s. 6,42%). Betrachtet man den durchschnittlichen Personalstand in Marketing, Verkauf und Administration, so war der Abbau von 2.049 Mitarbeitern um 56 auf 1.993 Mitarbeiter (d.s. 2,73%) nicht nennenswert.

Unabhängig davon konnte CEO Ötsch zwei von ihm angekündigte Vorhaben nicht umsetzen; er wollte schlanke Konzernprozesse schaffen und 10% des Gehaltes an den Unternehmenserfolg zu binden, scheiterte aber an beiden Absichten kläglich:

Statt Kosten in der Verwaltung zu senken, war die Verpflichtung von zwei Siemens-Nachwuchsführungskräften der Auftakt für die Explosion der Kosten für die Entscheider der AUA! Dies deshalb, weil speziell die Vergütung des Branchenneulings Peter Baumgartner, samt Verleihung der Prokura nicht in die Gehaltssystematik passte. Es war daher nur eine Frage der Zeit, bis arrivierte Kräfte „gleiches Entgelt für gleiche Arbeit“ nachdrücklich und wirksam einmahnten. Dies führte nicht nur zu beachtlichen Gehaltssprüngen sondern auch zur Einführung einer zusätzlichen, zwischen Vorstand und Bereiche angesiedelten Organisationsebene (CFO Heinz Lachinger) und damit zu einem explosionsartigen Zuwachs auf 23 Bereichsleiter (davon berichten 13 + CFO Lachinger an CEO Ötsch).

Übrigens: Im November 2006 wurde ein konzernweites Risk-Management etabliert und mit dem zweiten Siemensianer Oliver Karall besetzt. Der in kaufmännischen Belangen, IT und Technik profund Erfahrene leitet derzeit den neu geschaffenen Bereich „Quality Management & Corporate Security.“
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