Dienstag, 21. Oktober 2008

Wie Andreas Bierwirth die aktuelle Situation der AUA einschätzt

„Erst hat es geheißen, die AUA ist saniert,
dann haben wir die Millionen von Scheich Al Jaber nicht gebraucht –
und jetzt brauchen wir dringend einen Partner."
Betriebsratsvorsitzender Alfred Junghans (ÖIAG & AUA Aufsichtsratsmitglied),
3.9.2008

Die Vorgänge um den Verkauf der bei der ÖIAG verbliebenen AUA-Aktien belegen, welche Kleingeister Österreich regieren und wie es um die Kenntnisse und Fähigkeiten der heimischen Wirtschaftskapitäne bestellt ist.

Ein durchschnittlicher Hausverstand und die einiger Massen zielsichere Anwendung der Grundrechnungsarten reichen aus, um zu erkennen, dass es kein Leitungsgremium eines börsennotierten Unternehmen verantworten kann, die von der ÖIAG genannten Kriterien zu erfüllen:

Der so genannte „strategische Partner“ sollte für Aktien einer unter Denkmalschutz stehenden Fluglinie zahlen, die nicht nur hoch verschuldet ist und zu nicht wettbewerbsfähigen Kosten produziert, sondern auch noch Aufgaben der Verkehrsinfrastruktur der Region Centrope finanzieren.

Obwohl sich selbst Philanthropen wie Sheikh Al Jaber zurückzogen und keine Mäzene meldeten, beauftragte die AUA Anfang Juni mit BCG (Kosten: angeblich € 880.000) neuerlich einen Betriebsberater (Roland Berger Consultants unter der Leitung des nunmehrigen AUA-Aufsichtsrates Manfred Reichl haben sich Mitte Februar 2006 dazu bereits geäußert), um herauszufinden, ob die AUA einen „strategischen Partner“ braucht und wenn ja, wer ihren Ansprüchen genügen könnte. Peter Michaelis (AUA Aufsichtsratspräsident und ÖIAG Alleinvorstand) fasste am 28.7.2008 die aus dieser Studie gewonnen Erkenntnisse so zusammen:

„Eine strategische Partnerschaft mit dem richtigen Partner bedeutet Ausbau der vorhandenen Stärken. Stand-alone bedeutet ein drastisches und nicht nur für Austrian Airlines schmerzhaftes Maßnahmenpaket.“

Daraufhin beschloss die Regierung (in Aktionärskreisen wurde auch angedacht, eine „Finanzierungslücke“ von € 150 bis € 200 Mio. zu schließen) den weiteren Anteilsverkauf (Finanzminister Vizekanzler Wilhelm Molterer: „Die AUA ist ein hoch attraktives Unternehmen und ich bin überzeugt, dass auch hohes Interesse an ihr besteht“) und der Privatisierungsausschuss unter der Leitung von Magna CEO Siegfried Wolf identifizierte unter den zahlreichen Bietern Air France/KLM, Lufthansa und S7 (grotesk) als für die AUA brauchbaren „strategischen Partner“.

Nun hat keine dieser Fluglinie ein ausschreibungskonformes Angebot gelegt und plötzlich soll „Fiasko drohen“ und die AUA (wieder) dringend frisches Geld von bis zu € 500 Mio. benötigen?

Die normative Kraft des Faktischen hat – wieder einmal – entschieden und die Romantiker wachgerüttelt. Unternehmen wollen Geld verdienen, auch wenn sie Kerosin verbrennen. Und nicht die Rechnung für andere begleichen und deren Schulden übernehmen. Ich bin überzeugt, dass die Lufthansa weiß, wie sie die AUA in ihren Konzern integriert und auf die Gewinnstraße zurückführt. Und sie wird auch Wege finden, dies den verantwortlichen österreichischen Politikern und Wirtschaftsbossen näher zu bringen. Und mangels anderer brauchbarer Alternativen werden sie sich für genau diesen Weg entscheiden, denn eines ist sicher, der 31. Dezember kommt bestimmt und dann werden die „Sondereffekte“ (siehe mein Beitrag vom 19.10.2008) schlagend: Wenn der USD zum Jahresultimo zum heutigen Devisenschlusskurs von 1 EUR = 1,3101 USD notiert, dann beträgt die Wertminderung der Flugzeugflotte allein aus diesem Titel € 229,9 Mio.! Am 28.10.2008 wird der AUA-Aufsichtsrat die aktuelle Geschäftsentwicklung bereden und die wirtschaftliche Lage der AUA analysieren. Und das alles, um die „kaufmännische Sorgfaltspflicht“ zu wahren. Es kann also nur besser werden!

Wenden wir uns also der AUA-Zukunft zu: Der 37-jährige AUA CCO Andreas Bierwirth“ (vom 1.9. 2006 bis 31.3.2008 Bereichsleiter Marketing der Lufthansa Passage Airlines, vom 1.1.2005 bis 31.8.2006 Co-Geschäftsführer von Germanwings) hat vor Bob Gedat und Ingo Lang vom Branchenportal „Austrian Aviation Net“ zum Thema „Logik und strategische Hintergründe der AUA-Privatisierung“ referiert, das hier nachzulesen ist. Da ja das Management allen potentiellen Interessenten „vollkommen neutral“ gegenüberstand, war Herr Bierwirth in seiner Wortwahl sehr höflich und vorsichtig. Zudem haben sich die beiden Autoren auch entschlossen, das weitgehend unstrukturierte Referat wie gehalten zu publizieren, was eine Analyse nicht erleichtert. Dennoch bemühe ich mich, daraus jene Inhalte herauszufiltern und zu kommentieren, die eine Integration der AUA in den Lufthansa Konzern betreffen:
  • Kunden profitieren von einer gänzlichen Eigentümeridentität: Wenn die Ertragsteuerung das Netz des Konzerns und nicht das einer Fluglinie aussteuert, dann bietet sie dem Interessenten den attraktivsten Preis bei jenen Flügen, deren Vorschau die geringste Auslastung erwarten lässt. Das bedeutet demnach nicht, dass hier Reisewege und/oder Flugzeiten minimiert werden.
  • Allianzmitglieder (mit verschiedenen Eigentümern) konkurrieren (und kooperieren): Gemeint ist damit die „Coopetition“, also die Dualität von Konkurrenz (z.B. Hamburger Internist fliegt zu einem Kongress nach Los Angeles) und Kooperation (z.B. Abstimmung der Flugpläne, gemeinsames Terminal, gegenseitige Anerkennung der Kundenbindungsprogramme).
  • Chance und Risiko der Überlappung: Warum mehrere Marken eines Konzerns dieselben Zielorte profitabel bedienen können
  • Fehlende Größenkostenersparnis: Ein Thema mit großer Sprengkraft! Der Wirtschaftspolitiker Josef Taus hat bereits vor rund 30 Jahren darauf aufmerksam gemacht, dass sich in Österreich, ähnlich wie in den Niederlanden, durch eine attraktive Standortpolitik Konzernzentralen ansiedeln. Damit werden nicht nur zusätzliche, qualitativ hochwertige Arbeitsplätze geschaffen, sondern entsteht auch durch die Steuerungsfunktion ein großer Gestaltungsspielraum. Was die Luftfahrt betrifft, hat sich Österreich nicht durchgesetzt und muss – so hart es ist - diese nach wie vor bei der AUA vorhandenen Arbeitsplätze abbauen und sich auf die Aufgaben einer Produktionsgesellschaft beschränken. Die Arbeitsplätze, die dadurch verloren gehen, können allerdings im Flugbetrieb entstehen, wenn es gelingt, die Einheitskosten drastisch zu senken.
  • Vertriebsschwäche: Nur der Präzisierung: Damit ist nicht gemeint, dieses Manko durch den Austausch von Vertriebsmitarbeitern zu sanieren, sondern diagnostiziert, dass der AUA einerseits die Größe fehlt, um einen wettbewerbsfähigen Vertriebsapparat zu unterhalten, andererseits aber auch kein Streckennetz in Frequenz und Dichte anbietet.
  • Die AUA ist in den Transfermärkten gut positioniert, „kauft“ sich aber Kunden. Außerdem ist sie in übergroßen Ausmaß auf Codeshare-Partner angewiesen (zB PRGIADLAX), die den Ertrag aufzehren.
  • Norditalien wird im Referat sechsmal erwähnt. Irre ich mich, dass Lufthansa Alleineigentümer von Air Dolomiti ist?
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