Mittwoch, 15. Oktober 2008

Am Beispiel von AUA & SkyEurope: Wie Medien über die Bonität von Emittenten interessengeleitet berichten

„Wenn uns die Regierung am 12. August keinen Privatisierungsauftrag für die AUA gibt,
drohen noch heuer alle Grausamkeiten, die Sie sich vorstellen können:
Flugzeugverkauf, Streckenstreichungen, Personalabbau – eine drastische Schrumpfung,
die auch auf den Flughafen und den Wirtschaftsstandort negative Konsequenzen hat.“
Alfred Ötsch,
29.7.2008

Die seit mehr als 50 Jahre operativ tätige AUA und die im (verflixten) siebten Jahr fliegende SkyEurope einen jedenfalls folgende drei Eigenschaften:
  • Sie gehen davon aus, dass sie ihre Geschäftstätigkeit fortführen können (§ 201 Abs. 2 Z 2 HGB & IAS 1.23, F.23).
  • Sie sind aber auf Kapitalmaßnahmen angewiesen.
  • Ihre jeweiligen Geschäftsmodelle – die unterschiedlicher nicht sein könnten – sind unter den gegebenen Rahmenbedingungen weder wettbewerbsfähig noch profitabel.
Hier drei Umstände die sie trennen:
  • Während bei SkyEurope der aktuelle Finanzbericht (Seiten 18f) deutlich Zweifel über die Unternehmensfortführung adressiert, sieht die AUA im drohenden Abwertungsbedarf ihrer Flugzeugflotte keine Informationspflicht nach § 48d BörseG.
  • Da SkyEurope im Gegensatz zur AUA sehr günstig produziert, kann sie den Kunden im Lokalverkehr attraktive Preise anbieten und trotzdem profitabel wachsen, vorausgesetzt es gelingt ihr, ein marktreifes Streckennetz zu etablieren.
  • Während AUA-CEO Alfred Ötsch Fluggesellschaften die sich auf den Transport von A nach B konzentrieren, den Fehdehandschuh hinwarf („Austrian Airlines will Billigflieger in Wien ausradieren“), findet der SkyEurope-Chef Jason Bitter für die AUA nur lobende Worte: „Ich mag Austrian, an Orte, die wir nicht anfliegen, reise ich mit der AUA, dort bekomme ich auch das beste Flugzeug-Catering“. Allerdings stehe die AUA für Qualität und hohe Preise, „die Masse kann sich das nicht leisten“.
Der drohende Abwertungsbedarf der AUA-Flugzeugflotte ist jedenfalls seit der 51. Hauptversammlung am 22.5.2006 öffentlich bekannt: Damals räumte der damalige CFO Thomas Kleibl nämlich bereits ein, dass der Marktwert der Flugzeugflotte ihren Buchwert nicht annähernd erreicht und die stillen Reserven unter € 100 Mio. gesunken sind. Des weiteren ist dem Geschäftsbericht 2007 zu entnehmen, dass die außerhalb des Unternehmensplanes liegenden Nettogeldflüsse mit 2% um ¼% höher als bisher üblich aufgezinst wurden (Seiten 83f & 95f). Laut Halbjahresfinanzbericht 2008 (Seite 16) stellt die AUA Flugzeugflotte mit € 1,83 Mrd. knapp 2/3 des gesamten Vermögens dar, deren Werthaltigkeit (Seiten 24f) allerdings - wie bereits am 18.9.2008 berichtet – aus folgenden drei Gründen bedroht ist (das Finanzergebnis über die ersten drei Quartale wird am 28.10.2008 veröffentlicht):
  • Die wirtschaftliche Ertragskraft der Flugzeuge verschlechtert sich: CCO Andreas Bierwirth führte vor eingeladenen Journalisten in Damaskus aus, dass die Langstrecke bis auf wenige Destinationen wegen des fehlenden Zuganges zu Geschäftsreisenden defizitär sei. Keine Langstrecke bedeute aber auch eine Ausdünnung des kontinentalen Streckennetzes, die Ausflottung von 50 bis 60 der rund 100 Flugzeuge und die Schrumpfung auf eine regionale Wiener Fluglinie. Auf den Jahresabschluss bezogen bedeutet dies folgendes: Da durch die Redimensionierung auch die zukünftigen Nettogeldflüsse halbiert würden, wäre der Nutzungswert der Flugzeuge ein geringerer, weshalb sich zum Jahresultimo ein Abwertungsbedarf in unbekannter Höhe ergeben könnte.
  • Veränderter Abzinsungssatz: Für eine Wertminderung von Flugzeugen stellt der Abzinsungssatz den Zinssatz dar, den die AUA zahlen müsste, um in einer Markttransaktion zum jetzigen Zeitpunkt Geld für den Kauf von Flugzeugen aufzunehmen. Die AUA hat sowohl zum Jahresultimo 2007 als auch zum Halbjahresultimo 2008 mit einem Zinssatz von 5% kalkuliert. Wenn zum Jahresultimo ein Zinssatz von 5 ½ % verwendet würde, dann errechnet sich ein Abwertungsbedarf von rund € 50 Mio.
  • Veränderte Austauschrelation EUR/USD: Die geplanten frei verfügbaren zukünftigen Nettogeldflüsse wurden zu einem Devisenkurs von USD 1,54/€ konvertiert. Wenn die Relation USD 1,49/€ beträgt, dann ergibt sich ein Abwertungsbedarf von rund € 50 Mio. Sollte das Austauschverhältnis zum Jahresultimo mit USD 1,36/€ demjenigen von heute entsprechen, dann beträgt der Abwertungsbedarf rund € 180 Mio.
Soweit überblickbar, hat kein anderes Medium als das Wirtschaftsblatt über dieses Thema berichtet. Kein Wunder, dass die AUA bei einem „finanzstarken Partner“ in erster Linie an einen Mäzen oder - wie Roland Barazon bloggt - an eine Art reicher Onkel denkt - der seine Liebe zur AUA entdeckt, das Scheckbuch zückt und den Verlust abdeckt.

Weniger zurückhaltend sind Medien wie der KURIER, wenn er Zahlungsprobleme von SkyEurope und Gerüchte über den angeblichen Ausstieg von Kernaktionär York Capital Management verbreitet. SkyEurope, mit 633.663 Passagieren in 2007 (Marktanteil: 3,38%) immerhin fünftgrößter Kunde des Flughafen Wiens (Seite 51), informiert jedenfalls akribischer:
  • Am 18.9.2008 meldet die Fluglinie, dass ihr York ein Überbrückungsdarlehen von € 10 Mio. gewährte und sie das Bankhaus Rothschild beauftragte, einen Käufer für das Unternehmen zu finden.
  • Gestern abends informierte SkyEurope, dass York vorgeschlagen habe, Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu übernehmen, diese zu einem Anerkennungspreis zu erwerben und nach Abschluss aller Transaktionen Kapital in signifikanter Höhe zuzuführen. Der Vorstand von SkyEurope beschloss, auf Basis dieses Vorschlages mit York zu verhandeln und demnächst eine außerordentliche Hauptversammlung einzuberufen.
Es ist der Fluggesellschaft zu wünschen, dass sie die Krise meistert; mit York Capital Management scheint jedenfalls seit zwei Jahren ein Investor an Board zu sein, der sowohl die Finanzkraft hat, weitere Liquidität in das Unternehmen zu pumpen (Gründer & CEO James Dinan verwaltet ein Vermögen von USD 14,1 Mrd. und verdiente 2007 USD 470 Mio.) als auch dem Geschäftsplan von SkyEurope vertraut. Es ist nachvollziehbar, dass York den möglichen künftigen Erfolg nicht mit den anderen 70% Aktionäre teilen möchten, wenn diese dazu keinen finanziellen Beitag leisten; sie fair zu behandeln, stellt eine nicht zu unterschätzende Herausforderung dar, deren Lösung über das Wohl und Wehe von SkyEurope entscheidend sein dürfte.

Totgesagte leben (manchmal) eben doch länger!
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