Warum sammelt die AUA Gelder ein, wenn ihr Geschäftsmodell nicht marktfähig ist?
Teil I: € 367 Mio. frisches Kapital für Bonitätsverbesserung und Angebotskürzung (11/2006)
Im Geschäftsbericht 2007 (Seite 41) weist die AUA einen Streubesitz von 47,48% aus und meint darin eine für börsenotierte Unternehmen übliche breit gestreute Aktionärsstruktur zu erkennen, welche das hohe Interesse und Vertrauen vor allem der internationalen Anleger belegen soll. Nur: Können Privatanleger der AUA vertrauen?
Ist es legal und legitim von Privatanlegern Geld zu fordern, wenn keine Aussicht besteht, dass die AUA profitabel wirtschaftet?
Über die Legalität entscheidet das Rechtssystem: Die AUA hatte der Finanzmarktaufsicht (FMA) ein geprüftes Prospekt (§ 8 KMG) vorzulegen, welches von dieser Verwaltungsbehörde gebilligt wurde, weil es vollständig, kohärent und verständlich war (§ 8a KMG). Für den Prospektinhalt ist die AUA, der Prospektkontrollor und – sehr eingeschränkt – die Wiener Börse AG verantwortlich (§ 11 KMG). Für etwaige, daraus resultierende Schäden sind die Genannten Adressaten einer zivilrechtlichen Klage, welche sich auf die Prospekthaftung bezieht. Diese tritt allerdings erst dann ein, wenn deren Verschulden die leichte Fahrlässigkeit übersteigt. Soweit überblickbar, ist keine Klage anhängig, also alles legal, denn: Wo kein Kläger, auch kein Richter!
Aber deswegen ist der Vorgang noch lange nicht legitim! Denn die Diktion des englischsprachigen Emissionsprospekts war jedenfalls nicht so gestaltet, dass die zentralen Risken der AUA deutlich benannt wurden. Ob man dies als Verschweigen bezeichnet oder alles sprachlich sehr geschickt dargestellt wurde, ist diskussionswürdig, nur: Ein Privataktionär wurde aus dem Prospekt – so er je davon Kenntnis erlangte – jedenfalls nicht darüber aufgeklärt, unter welchen Bedingungen das von der AUA vorgelegte Geschäftsmodell profitabel wird!
„Wenn wir eine Wachstumsstrategie glaubhaft präsentieren können,
ist eine Kapitalerhöhung eine Option.“
Alfred Ötsch, in: Die Presse, 22.2.2006
- Exorbitant hohe Produktionskosten auch durch (betriebsnotwendige) Systemerhalter („Größe zählt“).
- Das Streckennetz und der Flottenmix sind nicht wettbewerbsfähig.
- Kein leistungsfähiger Vertrieb in relevanten Drittmärkten.
- Akquisition der Lauda Air: kostspielig (im Konzernabschluss 2000 erhöhten sich die verzinslichen Verbindlichkeiten um € 1.041,3 Mio. auf € 2.493,4 Mio.) und später auch operativ misslungenen (der seit 1.10.2004 wirksame gemeinsame Kollektivvertrag für das fliegende Personal von Austrian und Lauda Air basierte auf einem Wachstumsszenario)
- Ungesunde Eigen-/Fremdkapitalrelation: Das durch das zwischen 2002 und 2005 forcierte Wachstum entstandene Risiko war mit der vorgefundenen Kapitalausstattung nicht beherrschbar.
- Produktionsgröße: Ein Streckennetz mit dem so genannten „CEE-Drehkreuz Wien“ Im Zentrum – es stützt sich mangels ausreichendem Lokalverkehr und ausgedünnter Langstrecke mehrheitlich auf den kontinentalen Zu- und Abbringerverkehr - kann unter den gegebenen Rahmenbedingungen nicht profitabel betrieben werden.
- Als Alfred Ötsch am 1.4.2006 vom Präsidium des Aufsichtsrates in den Vorstand einrückte und einen Monat später die Nachfolge von CEO Vagn Sørensen antrat, fühlte sich die AUA bereits auf dem Weg des Turnaround im Turnaround: 2005 betrug der Jahresverlust € 129,1 Mio., die bereinigten Einheitskosten sind um 3 ½% auf €c 8,18 pro angebotenem Sitzkilometer gestiegen und die Nettoverschuldung belief sich zum Jahresultimo auf € 1,1 Mrd. Trotz eines Quartalsverlustes von € 55,6 Mio. im ersten Viertel des Jahres 2006 freute sich die AUA über den „richtigen Kurs“, sie prognostizierte für das Geschäftsjahr ein ausgeglichenes Ergebnis (bereinigtes EBIT) und wollte die geplante Kapitalerhöhung von rund € 140 Mio. als „Vorratsbeschluss“ für den Kauf neuer Flugzeuge in den kommenden fünf Jahren verstanden wissen.
- In der turbulent verlaufenden Hauptversammlung vom 22.5.2006 räumte CFO Thomas Kleibl ein, dass der Marktwert der Flugzeuge ihren Buchwert nicht annähernd erreichten und die stillen Reserven der AUA weniger als € 100 Mio. betrugen. CEO Alfred Ötsch prognostizierte neuerlich ein ausgeglichenes Jahresbetriebsergebnis; er freute sich über die chancenreiche Zukunft und ärgerte sich über Gerüchte, die der AUA eine „angespannte Liquidität“ ) attestierten: „Sollten weiterhin solche geschäfts- und rufschädigenden, nicht den Tatsachen entsprechenden Aussagen getätigt werden, werden wir geeignete Mittel ergreifen, um Schaden vom Unternehmen abzuwenden.“ Angstschweiß im Cockpit?
- Zwei Monate später, am 25.7.2006, korrigierte der Vorstand im Halbjahresfinanzbericht nicht nur die Ergebnisprognose („Ein ausgeglichenes bereinigtes EBIT wird voraussichtlich nicht erzielt werden können“) sondern gab auch die Einstellung der Destinationen Kuala Lumpur, Melbourne, Singapur und Sydney mit Winterflugplan 2006/07 bekannt.
- Am 3.10.206 informierte die über die Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung in deren Verlauf auch eine Kapitalerhöhung beschlossen werden soll: Die rund € 350 Mio. sollen „den dynamischen Ausbau der führenden Marktposition in Osteuropa fortzusetzen sowie die Kapitalstruktur der Austrian Airlines Group nachhaltig zu stärken und die erforderlichen Investitionen in Qualität, Marktposition und Flugproduktion zu beschleunigen“. Die am 22.5.2006 beschlossene Kapitalerhöhung im Ausmaß von rund € 140 Mio. wurde damit hinfällig.
- Am 24.10.2006 veröffentlichte die AUA den Zwischenbericht über die ersten drei Quartale und meinte zum Jahresergebnis: „Ein ausgeglichenes bereinigtes EBIT wird in 2006 nicht erzielt werden können. Das Jahresergebnis wird, abhängig von den weiteren politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und vorbehaltlich eines darin noch nicht berücksichtigten eventuellen Restruktierungsbedarfs, voraussichtlich besser als im Vorjahr ausfallen.“
Am 1.11.2006 beschließt der Aufsichtsrat, alle vier A330 Langstreckenflugzeuge ab 2007 auszuflotten die Linienflüge nach Shanghai ab 7. 1. 2007, Phuket, Mauritius und Colombo/Male mit Ende April und Katmandu im Mai 2007 einzustellen. Lauda Air wird sich 2007 aus dem Langstrecken-Chartergeschäft zurückziehen. - Am 7.3.2007 informiert die AUA im Geschäftsbericht 2006 über den Jahresverlust von € 129,9 Mio. (2005: - € 129,1 Mio.) und blickt in die Zukunft (Seite 51): „Im Jahr 2007 wird die Austrian Airlines Group die Umsetzung ihres strategischen Maßnahmenprogramms konsequent fortsetzen. Wichtigste Schwerpunkte sind dabei die Redimensionierung des Langstreckengeschäfts, die weitere Harmonisierung der Flotte, die Ausweitung des Streckenangebots und der Frequenzen in CEE sowie strikte Kostendisziplin. Der Erlös aus der Kapitalerhöhung hat die Offensivkraft der Gruppe für die Umsetzung dieser Maßnahmen deutlich gestärkt.“
Im Geschäftsbericht 2007 (Seite 41) weist die AUA einen Streubesitz von 47,48% aus und meint darin eine für börsenotierte Unternehmen übliche breit gestreute Aktionärsstruktur zu erkennen, welche das hohe Interesse und Vertrauen vor allem der internationalen Anleger belegen soll. Nur: Können Privatanleger der AUA vertrauen?
Ist es legal und legitim von Privatanlegern Geld zu fordern, wenn keine Aussicht besteht, dass die AUA profitabel wirtschaftet?
Über die Legalität entscheidet das Rechtssystem: Die AUA hatte der Finanzmarktaufsicht (FMA) ein geprüftes Prospekt (§ 8 KMG) vorzulegen, welches von dieser Verwaltungsbehörde gebilligt wurde, weil es vollständig, kohärent und verständlich war (§ 8a KMG). Für den Prospektinhalt ist die AUA, der Prospektkontrollor und – sehr eingeschränkt – die Wiener Börse AG verantwortlich (§ 11 KMG). Für etwaige, daraus resultierende Schäden sind die Genannten Adressaten einer zivilrechtlichen Klage, welche sich auf die Prospekthaftung bezieht. Diese tritt allerdings erst dann ein, wenn deren Verschulden die leichte Fahrlässigkeit übersteigt. Soweit überblickbar, ist keine Klage anhängig, also alles legal, denn: Wo kein Kläger, auch kein Richter!
Aber deswegen ist der Vorgang noch lange nicht legitim! Denn die Diktion des englischsprachigen Emissionsprospekts war jedenfalls nicht so gestaltet, dass die zentralen Risken der AUA deutlich benannt wurden. Ob man dies als Verschweigen bezeichnet oder alles sprachlich sehr geschickt dargestellt wurde, ist diskussionswürdig, nur: Ein Privataktionär wurde aus dem Prospekt – so er je davon Kenntnis erlangte – jedenfalls nicht darüber aufgeklärt, unter welchen Bedingungen das von der AUA vorgelegte Geschäftsmodell profitabel wird!
AUAblogger - 25. Sep, 12:20