Freitag, 5. September 2008

Warum mehrere Marken eines Konzerns dieselben Zielorte profitabel bedienen können

„Wenn die AUA schon vor zwei Jahren einen Partner bekommen hätte, würde sie bereits heuer Gewinne schreiben.“
CCO Andreas Bierwirth, in:
Die Presse, 9.8.2008

Es gibt Stimmen, die die Air France der Lufthansa als „strategischen Partner“ vorziehen. Dies deshalb, weil die Franzosen in Osteuropa schlecht aufgestellt seien und Wien darum als (exklusives) SkyTeam Drehkreuz für Osteuropa aufgewertet werden könnte. Hingegen überschneide sich das Streckennetz von Lufthansa und AUA insbesondere im „Heimmakt CEE“ häufig, weshalb das Risiko bestünde, dass Lufthansa den Verkehr nach München oder Frankfurt abziehen werde.

Ob das Risiko, dass die AUA (weitere unprofitable) Ziele nicht mehr bedienen wird, im Anlassfall schlagend wird, kann niemand vorhersagen. Denn eines ist klar: Jeder Luftfahrtkonzern der die AUA übernimmt, möchte mit ihr Geld verdienen und kann demzufolge die bisherigen Entscheidungen nicht fortschreiben. Wer Wien als Drehkreuz profitabel betreiben will, wird das Langstreckenangebot sukzessive ausweiten müssen; eine Konzentration auf innereuropäischen Umsteigeverbindungen muss schon allein deshalb scheitern, weil Kleinstmärkte (im positiven Fall) wachsen und mit Mitbewerbern sich die Monopol- in Konkurrenzpreise umwandeln.

Wer sich die Zeit nimmt, die Geschäftsstrategie der Lufthansa (Seite 67f) zu evaluieren, wird erkennen, dass ein Flugplan mit vielen hochfrequent vertakteten Zielen sehr kundenfreundlich ist. Und hier setzt Lufthansa an: Ihr Ziel ist, die Spitzenposition im Wettbewerb auszubauen und als profitabelste und attraktivste europäische Netzwerkfluglinie zu glänzen. Der Geschäftsplan steht auf drei Säulen von denen eine das Multi-Hub/Multi-Brand Konzept ist: Dank der weitgehenden Liberalisierung des Luftverkehrs in Europa baut die Lufthansa einen integrierten Verbund selbständiger Flugunternehmen auf, welchen unter anderem SWISS, Air Dolomiti und Eurowings angehören und demnächst um Brussels Airlines erweitert werden soll. Da jeder Verbundpartner als „Center of Competence“ für seinen Heimatmarkt spezialisiert ist, können die Verkehrsströme noch effizienter gesteuert und Vorteile an den Kunden weitergegeben werden:
  • Die am häufigsten nachgefragten Direktverbindungen aus dem und in das Drehkreuz.
  • Ein Angebot weltweiter Ziele mit alternativen Umsteigeverbindungen mehrmals am Tag, zu unterschiedlichen Uhrzeiten mit verschiedenen Fluggesellschaften, Marken, Produkten und Servicekonzepten.
  • Ein maßgeschneidertes und flächendeckendes Angebot für Firmenkunden mit nur noch einer Kundenkarte, die alle Vorteile bündelt.
Während der erste Anschein gleiche Ziele von AUA und Lufthansa als Risiko aufzeigt, entwickeln sich diese bei Einsatz des Multi-Hub/Multi-Brand Konzepts als enorme Chance. Dazu ein Beispiel:

AUA und Lufthansa bedienen von Wien bzw. München Donetzk (Ukraine) . Wenn ein Luftfahrtkonzern mehrere Marken führt, dann kann er dem Kunden aus Amsterdam mehr Optionen anbieten um Donetzk zu erreichen: Am Hinweg fliegt er beispielsweise über Wien und zurück über München und das alles zu einem attraktiven Flugpreis.

Dieses Konzept setzt allerdings voraus, dass der gesamte Erlös beim Luftfahrtkonzern verbleibt und nicht mit jemandem geteilt werden muss. Und da beginnen die Druckstellen des derzeitigen Privatisierungsauftrags, der eine österreichische Sperrminorität vorsieht…

Wie kann die AUA ihr Drehkreuz profitabel betreiben?

Die Sanierung ist gelungen.
Jetzt können wir uns voll auf unsere Stärken konzentrieren
und fliegen volle Kraft voraus in die Zukunft.
Alfred Ötsch, in: news 08/08, 21.2.2008

Die Schweiz hat sich mit Swissair und ihrer Nachfolgegesellschaft SWISS bis 2005 in Zürich ein interkontinentales Drehkreuz unter eigener Ergebnisverantwortung geleistet; da Rahmenbedingungen keinen profitablen Betrieb zuließen, wurde die Fluggesellschaft um rund € 217 Mio. an die Lufthansa verkauft und als integriertes, eigenständiges Unternehmen in den Konzern eingegliedert.

In Österreich tickten die Uhren anders: Die weitaus überwiegende Zahl der Eliten des Landes meint ein österreichischer Eigentümer sichere die Standortqualität, während bei „Hereinnahme eines Partners“ die Gefahr bestünde, dieser wolle den Verkehr vom Wiener Flughafen abziehen. Übersehen wird dabei, dass die AUA aus eigener Initiative immer weniger außereuropäische Destinationen anfliegt und so selbst ihr Netz entscheiden schwächte. Obwohl zB eine im März 2004 veröffentlichte Studie über den wirtschaftlichen Nutzen des Luftverkehrs in Österreich zeigt, dass die AUA beinahe ¾ aller Flugscheine im Ausland verkauft (Seite 152), sorgt sich der frühere Chefredakteur der 1991 eingestellten Arbeiter-Zeitung (Zentralorgan der SPÖ) und nunmehrige Hauptschriftleiter von Format (Wochenmagazin für Wirtschaft und Geld), Peter Pelinka, die AUA hätte es verabsäumt, sich rechtzeitig international zu positionieren. Gerade im Wettbewerb um die ausländischen Fluggäste ist die AUA den weltweit operierenden Fluggesellschaften unterlegen, weshalb ihr Geschäftsmodell mit Wien als „Umsteigeflughafen“ nicht wettbewerbsfähig ist. Wer weiß, dass der insbesondere durch die Ausflottung des Airbus-Langstreckenflugzeuge erfolgte Personalabbau rund € 85 Mio. kostete und aus Mitteln der Kapitalerhöhung 2006 finanziert wurde, kann sich vorstellen, dass die mit „Grauslichkeiten“ zu bezahlende Eigenständigkeit, keine realistische Option darstellt.

Hier die wesentlichen wirtschaftsrelevanten Kennzahlen der AUA:
  • Die AUA kumulierte in den letzten zehn Jahren einen Verlust von € 133,3 Mio.
  • Obwohl eine in diesem Ausmaß schwer nachvollziehbare Übernahmenfantasie die Börsenkapitalisierung innerhalb von 1 ½ Monaten auf € 524,9 Mio. katapultierte und damit beinahe verdreifachte (Ultimokurse: 15.7. € 2,22; 4.9. € 6 ¼), bewertet der Markt die AUA immer noch niedriger als die aus den letzten beiden Kapitalerhöhungen im Mai 1990 (Bezugskurs: € 27,7) und im November 2006 (Bezugskurs: € 7,1) zugeflossenen € 588,5 Mio.
  • Die verzinslichen Verbindlichkeiten betrugen zum Halbjahresultimo € 1.129,2 Mio., die liquiden Mittel beliefen sich auf € 231,4 Mio.
  • Der Buchwert der Flugzeuge betrug zum Halbjahresultimo € 1.834,1 Mio. und stellt mit knapp 2/3 den wesentlichen Vermögensteil der AUA dar. Gemäß Halbjahresfinanzbericht 2008 (Seite 25) ist bei einer weiteren Reduktion der zukünftigen Nettogeldflüsse, ein höherer Zinssatz und/oder ein Wechselkurs der niedriger als USD 1,54/EUR ein Abwertungsbedarf der Flugzeuge zum Jahresabschluss 2008 gegeben, welcher sich durchaus im dreistelligen Millionenbereich bewegen kann.
  • Laut Geschäftsbericht 2007 (Seite 48) erhöhten sich die bereinigten Einheitskosten pro angebotenem Sitzkilometer im Jahresvergleich um 11 ½% auf € 0,094. Klein mag zwar schön (gewesen) sein, besonders in einer kapitalintensiven, zeitsensitiven und margenschwachen Industrie kann aber Größe Kosten senken.
Es gilt als gesichertes Wissen, dass Metropolen mit einem leistungsstarken Drehkreuz besser erreichbar sind und deshalb im Wettbewerb untereinander über einen bedeutenden Standortvorteil verfügen. Will Wien und damit die Region Centrope weiter davon profitieren, ist sinnvoll einen Luftfahrtkonzern zu suchen, dessen Geschäftsmodell ein Multi-Hub/Multi Brand Konzept vorsieht.

Bericht:
Pelinka, Peter: Die (Un-)Möglichkeiten „nationalen“ Wirtschaftens – siehe die AUA, in: Format, 19/2008, Seite 7
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Austrian Airlines & die "integrierte Eigenständigkeit"

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